Die Weihe: Heiligung oder Aberglaube?
Die Weihe ist seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil in der katholischen Kirche und hat weitreichende theologische, spirituelle und kulturelle Bedeutung. Doch wie zeitgemäß ist diese Praxis noch? Handelt es sich um eine tiefgründige religiöse Handlung im Sinne Jesu? Oder ist zum Beispiel die Priesterweihe eher ein Instrument zur Festigung der kirchlichen Macht? Fördert die Weihe gar abergläubische Tendenzen? Hier geht es um eine kritische Betrachtung des Weihesakramentes, seine Bedeutung, Schwachstellen und Gefahren.
Inhalt
Die Bedeutung der Weihe aus kirchlicher Sicht
Die katholische Kirche versteht die Weihe als eine sakrale Handlung, durch die Menschen oder Dinge Gott gewidmet werden. Insbesondere die Priesterweihe verleiht den Geweihten eine einzigartige Stellung: Sie werden befähigt, „in der Person Christi“ zu handeln. Die Weihe ist dabei mehr als ein symbolischer Akt; sie wird als sakramentale Handlung angesehen, die eine besondere Gnade vermittelt. Nach katholischer Lehre ist dies durch das Wirken des Heiligen Geistes möglich, der in der Weihe besonders erfleht wird.
Diese Theologie stützt sich unter anderem auf die Vorstellung der Apostolischen Sukzession, also die ununterbrochene Weitergabe des kirchlichen Amtes seit den Aposteln. Die Kirche sieht darin eine Legitimation für die sakrale Macht der Priester und Bischöfe. Kritiker hinterfragen jedoch die historische Basis dieser Idee, da die frühe christliche Gemeinschaft in ihrer Struktur viel offener war und keine hierarchische Priesterschaft im heutigen Sinne kannte.
Gotteswidmung oder Machtpolitik?
Die Frage, ob die Priesterweihe im Sinne Jesu ist, lässt sich nicht ohne Kritik beantworten. Jesus hat laut den Evangelien seine Jünger ausgesandt, um das Evangelium zu verkünden, ohne besondere Rituale oder hierarchische Strukturen einzuführen. Nur einfaches Handauflegen ist überliefert. Jesus betonte die Gleichheit und Würde aller Menschen, einschließlich der Frauen. Die heutige katholische Praxis der Weihe, die Frauen ausschließt und Priester als besondere Mittler zwischen Gott und den Gläubigen positioniert, steht in deutlichem Widerspruch zu diesem Geist.
Die hierarchische Ausgestaltung der Weihe kann als Mittel zur Sicherung kirchlicher Macht interpretiert werden. Seit dem zweiten Jahrhundert, mit der zunehmenden Institutionalisierung des Christentums, hat sich die Kirche Strukturen gegeben, die eher einem weltlichen Machtapparat als der egalitären Botschaft Jesu entsprechen. Der Klerikalismus, der aus der sakralen Überhöhung der Priester hervorgeht, hat in vielen Fällen zu Machtmissbrauch geführt. Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, ob die Weihe tatsächlich ein göttlich inspiriertes Sakrament ist oder ein Instrument zur Machterhaltung.
Aberglaube oder spirituelle Erkenntnis?
In einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft erscheint mir die Weihe als überholt. Viele der mit ihr verbundenen Vorstellungen – etwa die sakrale Macht des Priesters z.B. durch die „Gültigkeit“ der Eucharistie ausschließlich durch einen geweihten Amtsträger – fördern den Klerikalismus, oder sie wirken auf die Gläubigen heute realitätsfremd. Kritiker argumentieren, dass alle Menschen durch ihre Schöpfung bereits „gottgeweiht“ sind. Die sakramentale Weihe fügt dieser universalen Berufung nichts Wesentliches hinzu, sondern schafft vielmehr eine künstliche Trennung zwischen „Laien“ und Klerus.
Papst Pius XII.weihte im Kriegsjahr 1941 tatsächlich die ganze Welt „dem unbefleckten Herzen Marias“. Welch ein fragwürdiges Gottesbild steht dahinter? Derartige Weihen suggerieren, dass Gott durch rituelle Akte zum Handeln bewegt werden kann. Solche Praktiken erinnern eher an magisches Denken als an den Glauben an einen liebenden Gott, der in jeder Lebenslage gegenwärtig ist und dem wir vertrauen dürfen. Dieser Gott braucht aber keine Hinweise, was auf dieser Welt alles schief läuft.
Im gleichen Jahr brachte der Papst den Mut nicht auf, christliches Zeugnis zu geben, indem er das Morden des NS-Regimes kritisierte. Ist es Feigheit oder zeigt es nur die Hilf- und Ratlosigkeit, wenn der Heilige Geist seine Arbeit nicht macht oder treffender: wenn der „Machthaber“ den heiligen Geist nicht wahrnimmt, weil er mit sich, mit Machterhalt und Sicherung der Pfründe beschäftigt ist. Weitere Infos, Hintergründe und Überlegungen hierzu schreibt Christian Modehn in seinem Religionsphilosophischen Salon.
Die Grenze zwischen sinnstiftender, spiritueller Praxis und Aberglauben erweist sich bei der Weihe fließend. In der katholischen Lehre hat die Weihe eine klar definierte Bedeutung, die den Glauben stärken und den Geweihten in besonderer Weise in den Dienst Gottes stellen soll. Doch in der Praxis wird sie häufig mit magischen Vorstellungen verknüpft, etwa wenn geweihte Objekte wie Kreuze oder Medaillen als Schutzamulett missverstanden werden. Solche Missdeutungen sind nicht nur theologisch problematisch, sondern fördern auch ein abergläubisches Denken, das der Botschaft Jesuanischen Glaubens fundamental widerspricht.
Eine Kirche im Wandel
Ist es nicht anmaßend, wenn die Kirchenführer in Anspruch nehmen, im Namen Jesu Christi zu handeln? Jesus war vermutlich der größte und mutigste Reformator aller Zeiten. Sein Mut, seine Größe, seine Weisheit, seine Liebe hat die Menschen überzeugt. Die katholische Kirche wird jedoch oft als kleingeistig, korrupt, scheinheilig und machtgierig wahrgenommen. Wo bleibt der Mut zu beherzten Veränderungen? Was hat die Kirche überhaupt noch mit Jesus gemein?
Bei der Weihe zum Diakon, Priester oder Bischof wird der Weihekandidat nach amtskatholischem Verständnis zur „gottgeweihten Person“. Aber sind das nicht alle Menschen? Sind wir nicht alle Gottes Töchter und Söhne und damit durch Gott geweiht? Kann es durch Menschen eine höhere Weihe geben?
Die Weihe stellt die Kirche vor eine Herausforderung: Einerseits ist sie ein zentraler Bestandteil der Tradition, andererseits steht sie in vielen Aspekten in der Kritik. Die Kirche muss sich fragen, wie sie die Weihe in einem zeitgemäßen Kontext neu deuten und ihre Praxis reformieren kann. Orientiert sich die Kirche am Geist Jesu und besinnt sich auf das Wesentliche, so werden sich viele positive Veränderungen „ergeben“.
Eine mögliche Perspektive wäre, die universale Berufung aller Gläubigen stärker zu betonen und die Priesterweihe weniger als exklusiven Status mit sakraler Macht, sondern nach dem Vorbild der evangelischen Kirche schlicht als Sendung eines/einer Berufenen zu verstehen. Dies würde der ursprünglichen Botschaft Jesu näherkommen. Mein persönlicher Respekt vor einem Priester speist sich nicht aus der Priesterweihe, sondern aus dem Wirken der Person.
Fazit
Die Weihe in der katholischen Kirche kann ein Ausdruck des Glaubens und der Hingabe sein, doch sie birgt auch die Gefahr, zu einem Mittel der Machtsicherung und zu einem Relikt abergläubischen Denkens zu werden. Ob die Weihe künftig zeitgemäß sein wird, hängt davon ab, ob die Kirche bereit ist, ihre Lehren, Strukturen und Rituale im Licht des Evangeliums zu hinterfragen und weiterzuentwickeln.
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