Klerikalismus: Das Gift lähmt die Kirche

Der Klerikalismus in der katholischen Kirche hat tiefe historische, theologische und institutionelle Wurzeln. Seine praktischen Auswirkungen reichen von einem Machtungleichgewicht und geringer Laienbeteiligung bis hin zu mangelnder Transparenz und seelsorgerischen Herausforderungen. Ursachen und Wirkungen sind auch den Kirchenführern hinlänglich bekannt. Dennoch fehlt es an konkreten Gegenmaßnahmen. Für mich ist die Erklärung einfach: Klerikalismus schafft sich nicht selbst, d.h. durch Kleriker, ab.

Mögliche Ursachen des Klerikalismus

Die Botschaft des Jesus von Nazareth war schlicht und kraftvoll, und Er sprach Herz und Verstand an. Zeremonien, Rituale und ein religiöses Gehabe gab es bei Ihm nicht, sondern es geht um das selbstlose Dienen gegenüber dem Nächsten, um die Gottes- und Nächstenliebe. Anders bei den damaligen „Schriftgelehrten“, Theologen und Intellektuellen, die mit ihrem Wissen, ihrer Redekunst und ihrem Einfluss ihr Ego in den Vordergrund stellten. Sie waren die Gegner von Jesus. Unter wer sind heute diese „Gelehrten“? Wie ist unter ihrer Führung die Kirche und deren unchristliches Herrschaftssystem entstanden? Und wie hat sie sich bis heute entwickelt?
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hier. (Auszug aus „Der Theologe“)

  • Die Kirche erlangte im Laufe der Jahrhunderte immense politische und gesellschaftliche Macht, was zu einer Hierarchisierung führte, bei der der Klerus als herrschende Klasse betrachtet wurde. In vielen Teilen Europas war die Kirche auch eng mit dem Feudalsystem verbunden, wobei Kleriker oft Landbesitzer und politische Machthaber waren.

  • Die Überzeugung, dass Priester eine besondere sakramentale Macht besitzen, sitzt tief in den Köpfen sowohl der Priester als auch der Laien. Diese Wahrnehmung führt zu einer tiefen Kluft zwischen Klerus und Laien.
    Hinzu kommt die Verpflichtung zum Zölibat und die Weihe zum Priester. Die Priesteramtskandidaten wurden schon viel zu lange während der Ausbildung darin bestärkt, durch Berufung und Weihe Gott näher zu stehen als die Laien.

  • Die katholische Kirche ist stark hierarchisch organisiert, was eine Machtkonzentration in den oberen Rängen der Kirchenführung zur Folge hat.

  • Traditionen haben nur einen Sinn, wenn sie positiv auf die Gegenwart, im besten Fall auch auf die Zukunft wirken. Die urchristlichen Gemeinden hielten sich an die Tradition im Geiste Jesu. Später hat sich die Kirche kaum noch an Traditionen gehalten. So gab es zu Zeiten Jesu weder hierarchische Strukturen noch Priester- oder Bischofsweihen. Die Ansammlung unfassbaren Reichtums oder die Selbsterhöhung des Klerus können nicht in der Tradition Jesu Christi liegen. Es sind also „hausgemachte Traditionen“, auf die sich die Kirchenfürsten berufen, wenn sie sich überfälligen Reformen verweigern.

  • Typische Männerbünde wie Freimaurer oder Rockerclubs weisen Charakteristiken auf, die zeigen, wie das System funktioniert: Aufnahmezeremonien, strenge Hierarchien und Machtstrukturen, fragwürdige Loyalität, Rituale und Traditionen, Geheimhaltung – nichts darf unkontrolliert nach außen dringen, Intransparenz, der Zugang ist exclusiv, Einfluss und Macht soll gestärkt bzw. erhalten werden. Zuwiderhandlung wird mit Strafen, zumindest aber mit Verachtung geahndet. Unterscheidet sich die katholische Kurie in irgendeiner Weise von diesen Praktiken?

  • Ohne Klerikalismus der Laien gäbe es diesen nicht! Noch vor 50 Jahren war Kritik an der Kirche und an Priestern anstößig und galt als unanständig. So ist es zu erklären, dass Missbrauchsopfern entweder nicht geglaubt wurde oder sogar bestraft wurden für ihre „schlechte Phantasie“.
    Die Überhöhung des geweihten Priesters oder Bischofs wurzelt in der Vorstellung, der Priester sei der Mittler zu Gott. So werden dem Priester Wünsche und Sehnsüchte als Fürsprecher aufgebürdet und dieser Rolle kann er sich nur schwer entziehen. Dieses Problem existiert weniger in Westeuropa, als vielmehr in den Kirchen Asiens und Afrikas, wo sich der Katholizismus hoher Wachstumsraten erfreut.

Praktische Auswirkungen des Klerikalismus

Bischöfe sind nur dem Papst gegenüber Rechenschaft schuldig. Sie sind quasi „gekrönte Häupter“ mit weitreichenden Vollmachten, beinahe unangreifbar für das Volk. Das zeigt der „Fall Woelki“. Die Stimme des Volkes, pardon, der „Schafe“, zählt nicht. Sie haben ja keine Ahnung von Gott, von Jesus und von den Sorgen der „Hirten“. Liegt es nicht in der Natur der Macht, dass sie nicht in der Lage ist, sich selbst zu kontrollieren oder gar zu zügeln?

Die Priester in den Gemeinden wiederum müssen sich nur dem Bischof gegenüber rechtfertigen. Auch hier hat die Gemeinde nur sehr beschränkten Einfluss auf die Gemeindeleitung, auf die Form der Liturgie z.B. gar kein Recht, mit zu entscheiden. Die sakrale Macht erstickt alles, was nach Gleichstellung von Geistlichen und ihren anvertrauten Gemeinden riecht.

Konkrete Kritikpunkte und mögliche Ansätze

  • Dominanz des Klerus: Priester und Bischöfe haben eine übermäßige Kontrolle über die Entscheidungsprozesse in der Gemeinde, was zu einem Mangel an Laienbeteiligung führt.

  • Autoritätsmissbrauch: In einigen Fällen hat dies zu Missbrauch von Macht und Autorität geführt, unter anderem wegen mangelnder Rechenschaftspflicht. Die Betonung der Autorität des Klerus kann auch zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gemeinde führen, wobei bestimmte Gruppen bevorzugt und andere marginalisiert werden.

  • Passivität der Laien und mangelnde Anerkennung: Klerikalismus führt zu einer passiven Haltung der Laien, da sie sich weitgehend machtlos fühlen. Viel zu wenig werden die Aktivitäten, Ideen und Leistungen der Laien gewürdigt und noch niedriger werden ihre Fähigkeiten (auch als Priester:innen) bewertet.

  • Geheimhaltung und Vertrauensverlust: Entscheidungen und Informationen werden häufig innerhalb des Klerus geheim gehalten, was zu mangelnder Transparenz führt. Dies untergräbt das Vertrauen der Gläubigen in ihre Gemeindeleiter und schädigt die Glaubwürdigkeit der Kirche insgesamt.

  • Distanzierung: Das überhöhte Selbstverständnis zu vieler Priester führt zu einer Entfremdung von den Gemeindemitgliedern. Wenn sich Priester und Volk auf unterschiedlichen Ebenen fühlen, kann keine noch so frohe Botschaft ankommen.

  • Widerstand gegen Veränderungen: Klerikalismus blockiert Reformbestrebungen innerhalb der Kirche. Man beruft sich vordergründig auf Traditionen der letzten zweitausend Jahre. Dabei verschweigen die Oberhirten, dass die meisten angeblichen Traditionen von Menschen erfundene Gesetze, Dogmen und Vorgaben waren, oft mit dem Ziel, ihre Macht auszubauen.

  • Spirituelles Selbstbewusstsein wurde beim katholischen Kirchenvolk lange unterdrückt. Auf seine Seele hörend Geistliche oder gar die Amtskirche zu kritisieren, galt zumindest als Sünde; zeitweise wurde Kritik gar mit empfindlichen Strafen belegt. Das hat sich zwar geändert, aber die Überhöhung der geistlichen „Würdenträger“ ist immer noch tief in vielen Gläubigen verankert. Streng genommen ermöglichen wir Gläubigen durch unser eigenes Denken den Klerikalismus.

  • Aufklärung tut Not! Die Priester sind gefordert, die Glaubensvorstellung ihres Volkes zu korrigieren. Das ist jedoch ein langer und mühsamer Prozess, gegen den sich viele Gläubige wehren.

Die Ehrfurcht vor dem Priester ging in den letzten Jahrzehnten weitgehend verloren. Heute muss er überzeugen und das ist weitaus schwieriger. Aber nach meiner Beobachtung gelingt das den wenigsten, weil sie sich von ihrem überhöhten Selbstverständnis nicht verabschieden können. Dies scheint um so mehr zu gelten, je höher ihr Rang ist. Das beweist das Hauen und Stechen mancher Kurienkardinäle untereinander und selbst gegen den Papst, der dem Klerikalismus den Kampf angesagt hat.

Wahre Priester

Ich habe meine eigene, sicher noch nicht mehrheitsfähige Meinung von einem vorbildlichen Priestertum:

Priester:innen müssen im Glauben begeistert sein und sich berufen fühlen, ihren tiefen Glauben weiterzutragen. Geweiht sind wir alle von Gott. Kann es eine höhere Weihe durch Menschen geben? In der evangelischen Kirche gibt es keine Weihe; die Priester:innen werden gesendet und siehe, auch den evangelischen Christen ist das Himmelreich nahe – vermute ich stark.

Viel wichtiger als eine Weihe ist die persönliche Eignung als Priester:in. Dazu gehört eine vorbildliche Lebensführung, Offenheit, Aufrichtigkeit, Toleranz gegenüber andersdenkenden Mitmenschen, kritische Überprüfung von Vorgaben, Gebeten, Ritualen, eigenem Denken und Handeln. Die Einstellung zum Mitmenschen ist jedoch das wichtigste Kriterium für einen Priester: Er/Sie muss wahrhaft auf Augenhöhe mit der Gemeinde kommunizieren, um überzeugend zu sein.

Es gibt sie, diese Avantgardisten, für die Klerikalismus eine Sünde ist! Es geht ihnen nicht um Frömmelei und süße Worte, sondern um Unterstützung der Menschen im Alltag. Sie ermuntern und motivieren die Gläubigen zu kritischem Denken und Reflexion – immer und überall. Vielfach werden diese wahren Priester von ihren Kollegen als Populisten diffamiert und als „Nestbeschmutzer“ mit Verachtung bestraft. Wie lange braucht es noch, bis der Stachel des Klerikalismus gezogen ist?

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