Handeln im Geiste Jesu

Woran orientieren wir unser Denken und Handeln? Was ist unser Kompass und wie zuverlässig ist er? Für mich ist es eine zuverlässige Richtschnur, was mir die Seele sagt. Das ist im Kapitel „Folge deiner Seele“ beschrieben. Im Zweifel kann es eine Hilfe sein, sich am Beispiel Jesu zu orientieren. Auch er folgte seiner Seele. Beides, Jesu Handeln und die Eingebung unserer Seele, kann sich nicht fundamental widersprechen. Wenn sich also beides deckt, muss es der rechte Weg für mich sein.

Wer war Jesus?

Aber woher kann ich wissen, wie Jesus dachte und wie er handelte? Ich muss mich dabei auf die Evangelien stützen, die Jesu Leben erzählen. Allerdings ist die Kultur zu Zeiten Jesu zu berücksichtigen und die Auslegung der Texte mit kritischem Blick zu prüfen. Besonders die außerkanonischen Schriften können zusätzliche Perspektiven liefern. So entsteht ein Bild vom Wirken Jesu, das mir sagt, wer er war und wie er in bestimmten Situationen handelte. Eine wertvolle Richtschnur für ein aufrichtiges, erfülltes und friedfertiges Leben.

Diesen Kompass wünsche ich mir von christlichen Kirchenverantwortlichen. Mein Eindruck ist, dass die große Mehrheit der Geistlichen eine innige Beziehung zu einem jenseitigen Gott pflegt, ihr Handeln aber oft nicht deckungsgleich mit dem überlieferten Geist Jesu ist. Das wäre jedoch bedenklich, weil Gott und Jesus nach christlichem Verständnis untrennbar verbunden sind.

Wofür steht Jesus?

Jesus hat viele Denkmuster, Traditionen und Überlieferungen hinterfragt, angeprangert und revolutioniert. Dazu gehörte Mut, Weisheit und eine tiefe Verbindung zu Gott. Einige Beispiele:

• Gleichstellung von Mann und Frau: In der Kultur zu Zeiten Jesu galten männliche Denkmuster als gesellschaftliche Norm. Jesus setzte neue Maßstäbe. So bezog er unter dem unverständigen Murren mancher Jünger auch Frauen aktiv in seine Nachfolge ein. Sein Verhältnis zu Frauen war geprägt von Respekt und Wertschätzung, was in der damaligen Kultur nicht selbstverständlich war.
• Berufung zur Verkündigung: Jesus hatte keine formale Priesterschaft eingesetzt, weder für Männer noch für Frauen. Er sendete schlicht aus, ohne die späteren Weiheformen und liturgischen Riten der Kirche. Und er hat ALLE Menschen aufgefordert, ihm bzw. seinem Beispiel zu folgen.
• Nächstenliebe: Jesus lehrte und lebte die bedingungslose Liebe zu allen Menschen, unabhängig von ihrem Hintergrund oder Status. Dies zeigt sich in seinem Umgang mit Ausgestoßenen, Kranken und Sündern. Er fordert uns auf, nicht nur diejenigen zu lieben, die uns Gutes tun, sondern sogar unsere Feinde. Diese radikale Liebe ist ein hohes Ideal, das schwer umzusetzen ist – aber sie ist der Kern der christlichen Ethik. Im Alltag kann das bedeuten, geduldig zu bleiben, wo andere uns reizen, und Verständnis zu zeigen, wo wir Unrecht erfahren.
• Mitgefühl: Er zeigte tiefes Mitgefühl für das Leid anderer und handelte, um deren Leiden zu lindern, sei es durch Heilungen oder Trost. Für unseren Alltag ist dieses Handeln entscheidend. Manchmal genügt ein offenes Ohr, wirkliches Zuhören, Zeit schenken. Manchmal ist aber aktives Eingreifen notwendig, wenn es in unserer Möglichkeit liegt, Leid zu lindern. Wie oft schauen wir bedauernd zu?
• Demütige Haltung: Jesus lebte in Bescheidenheit und Demut. Er war nicht auf Macht oder Reichtum aus, sondern lebte einfach und diente anderen. In einer Zeit, in der Egoismus und Selbstdarstellung oft im Vordergrund stehen, erinnert uns Jesu Beispiel daran, dass wahre Größe in der Hingabe an andere liegt.
• Dienst am Nächsten: Ein zentrales Beispiel ist die Fußwaschung der Jünger. Es ist der Dienst für die Gemeinschaft, die uns Jesus mit seinem Beispiel lehrte. Soziale Dienste, freiwillige Rettungsdienste, Ehrenämter in Kirche, Verein oder aktives Mitwirken bei den „Tafeln“.
• Vergebungsbereitschaft: Im Neuen Testament lehrt Jesus, nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal zu vergeben. Das zeigt, dass Versöhnung und die Bereitschaft, Fehler zu verzeihen, einen hohen Stellenwert haben. Wer im Geiste Jesu handelt, trägt nicht lange Groll, sondern sucht das friedliche Miteinander. Jesus zeigte das eindrücklich, indem er selbst am Kreuz um Vergebung für seine Peiniger bat.
• Eintreten für die Schwachen: Jesus setzte sich für die Rechte und Würde der Schwachen und Unterdrückten ein und kritisierte Ungerechtigkeit und Heuchelei. Zeigen wir Flagge, wenn anderen Unrecht widerfährt? Zeigen wir Haltung, indem wir auch persönliche Nachteile für uns in Kauf nehmen?
• Gottvertrauen: Jesus lebte in tiefem Vertrauen und Gehorsam gegenüber Gott. Dieses Vertrauen zeigt sich in seinem Gebet und in seiner Bereitschaft, den Willen Gottes zu erfüllen, selbst bis zum Tod am Kreuz. Solch tiefes Gottvertrauen schenkt uns Gelassenheit, macht uns frei, lässt uns mit persönlichem Schicksal leichter umgehen.
• Gebet: Sein Leben war geprägt von regelmäßigem Gebet und der Suche nach Gottes Führung. Gebet ist nicht nur Lippenbekenntnis. Es ist eine innere Einkehr. So kann unsere Seele die Mittlerin zu Gott sein.
• Wahrhaftigkeit: Jesus sprach die Wahrheit, auch wenn sie unangenehm oder gefährlich war. Er lehrte den schmalen Pfad zu Gott in Demut.
• Weisheit: Seine Lehren, Gleichnisse und Antworten zeugen von tiefer Weisheit und Einsicht in die menschliche Natur und die göttliche Ordnung.

Orientierung in kritischen Situationen

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin weit davon entfernt, immer dem Beispiel Jesu oder meiner Seele zu folgen. Ein Leben als beispielhafter Heiliger wäre mir auch zu anstrengend. Aber im Zweifel kann ich meinen Kompass lesen. Immerhin ein Anfang…

Oft kommen wir in Situationen, in denen wir unsicher sind. Was sagt uns die Seele? Wie würde Jesus handeln und was entspricht seinem Geist? Das sind die Kernfragen, die uns bei allem Denken und Handeln eine gute Richtung aufzeigen können. Aus unserem Denken erwachsen unsere Entscheidungen und unser Handeln. Sind unsere Gedanken von Liebe, Mitgefühl, Demut, Dienst, Vergebung, Gerechtigkeit, Frieden, Glaube, Wahrheit und Weisheit geprägt?
Wie ist das konkret in kritischen Situationen? Im Streit, nach persönlichen Verletzungen, bei Trauer oder plötzlicher Krankheit. Wenn ich mit dem Schicksal hadere, das Gegebene nicht annehmen kann, in Wut, Angst oder Eifersucht meinem Ego fröne, dann bräuchte ich den Kompass am nötigsten. Aber gerade dann ist mein Ego oft so stark, dass ich nicht auf den Kompass achte. Wie schade!
Wie kann ich mir helfen? Gehe ich einen Schritt zurück und betrachte die Situation mit Abstand, dann gelingt es mir (manchmal), mein Ego im Zaum zu halten. Dann ist die größte Hürde geschafft und ich bin wieder empfänglich für meinen inneren Kompass. Mir hilft dabei eine Wanderung durch den Wald, das Alleinsein, Stille. Bei anderen mag es Sport, Musik oder Meditation sein. Finde es heraus, die nächste Gelegenheit kommt bestimmt!

Wie war das nach Jesu Tod? Wie haben sich die Jünger verhalten, die ersten christlichen Anhänger zusammen gefunden und organisiert? Wie entwickelte sich die Urkirche? Das sind wertvolle Hinweise, auf die sich unsere Kirche wieder besinnen sollte.

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