Begeisterung steckt an!

Begeisterung verbindet Menschen, öffnet Herzen und bringt Licht in eine Welt voller Fragen und Zweifel. Wenn die Kirche Freude ausstrahlt statt Schwere, wenn sie nicht nur vom Himmel spricht, sondern ihn auch spürbar macht – dann wird sie wieder das, was sie sein soll: ein Ort zu Gott mitten unter uns. Wenn Priester und Gläubige gemeinsam brennen, braucht es keine Strategien, keine Glaubensvorschriften und keine erzwungene Einheit. Dann werden die christlichen Gemeinschaften in Einheit zum „Selbstläufer“, zum Magneten für Suchende und die Zahl derer ist unüberschaubar.

Das Dilemma beider großen christlichen Kirchen ist bereits beschrieben. Ebenso die gedachten Reformansätze. Wenn die eigene Lebenserfahrung und die eigene Seele mit einer überzeugenden Lehre kompatibel ist, kann sich Glaube entwickeln und vertiefen. Was dann noch fehlt, ist die Begeisterung der Glaubensgemeinschaft, die andere ansteckt, den Glauben weiterträgt und in den Mitmenschen ein Feuer entzündet.

Freude oder Leid verkünden?

Freude kann begeistern, Leid lähmen. Ich begegne in Kirchen mindestens zu zwei Dritteln dem Leid. Da hängt Jesus gequält, blutüberströmt und mit Dornenkrone am Kreuz und die geistliche Obrigkeit vermittelt mir, dass er das für mich auf sich nahm und meine Sünden dadurch irgendwie vergeben seien. Da hängen schrecklich traurige Bilder an der Wand oder Skulpturen, die Frömmigkeit zeigen sollen. Die Liturgiesprache der Messbücher mag fromm sein, aber Freude kommt da bei mir nicht auf. Wie sollen solche Botschaften begeistern können? Wären Jesus bei derart trauriger Offenbarung so viele Menschen gefolgt? Was würde er heute dazu sagen, wie die Kirche ihn darstellt?

Wenn es überhaupt Bilder braucht: Wie wäre es mit einer lebensgroßen Jesusfigur, nicht am Kreuz, sondern freundlich, strahlend und einladend mit ausgebreiteten Armen? Warum zeigt man Jesus so selten in Liebe und Freude? Es kommt nicht an, wenn Priester von Freude reden und gleichzeitig die „Frohe Botschaft“ vergeistigt zu erklären versuchen. Da höre ich oft nur Worte, die mich nicht erreichen. Um den Geist Gottes wieder mit Leben zu erfüllen, brauchen wir begeisterte Priester und Gläubige, die die Freude gemeinsam hinausposaunen! Nein, die Posaunen braucht es gar nicht. Die Begeist(er)ung wirkt und sie wird Menschen in Scharen anziehen. Das haben schon Jesu Jünger gezeigt.

Begeisterte Priester

Meine Beobachtung ist, dass die christliche Lehre in der heutigen Form kaum noch begeistert. Diejenigen jungen Männer, die sich zum Priester berufen fühlen, sind sicher fromm, aber wo ist die Freude, wo die Begeisterung, Menschen mitzunehmen, hinzureißen zu einem lebendigen Glauben? Sie erklären Gott wortreich, statt die Menschen dabei zu unterstützen, ihn zu erfahren. Zudem verstehen sich viele Priester und Kandidaten als Kleriker herausgehoben und damit nicht mehr auf gleicher Ebene mit der Gemeinde. Das erschwert ein lebendiges Miteinander, aus dem Begeisterung entstehen soll, erheblich. Es bedarf also einer zeitgemäßen Anpassung des Berufsbildes eines Priesters und seiner Ausbildung. Das hatten wir bereits beschrieben.

Die Deutsche Bischofskonferenz gab eine Studie in Auftrag, die am 17. Mai 2024 veröffentlicht wurde. Thema: „Wer wird Priester? Ergebnisse einer Studie zur Soziodemografie und Motivation der Priesterkandidaten in Deutschland“. Beauftragt war das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap:bochum). Die Ergebnisse sind ernüchternd.

Ein Auszug aus der Studie:
„Die Mehrheit der Priester sehen sich zudem selbst nicht als gestalterische Führungskräfte; ohnehin scheinen sie in der Mehrzahl mit den Settings und Werten der modernen Gesellschaft zu fremdeln. Dazu gehören auch die Anliegen von Kirchenreform. Daraus lässt sich schließen, dass sie wenig dazu beitragen werden, Kirche und Gegenwartsgesellschaft miteinander kreativ zu erschließen.
Priester strebten außerdem ein Kompetenzprofil an, das auf „Person“ und „Spiritualität“ setze. Die meisten Aspekte rund um „Organisation“ und „Rolle“ würden ausgeblendet, so Prof. Sellmann. Das kann zu Problemen führen, denn auf Dauer werden sie „als Führungskräfte von immer größeren und ressourcenreicheren Komplexen eingesetzt werden. Ihre Überforderung im Ausfüllen von Führungspositionen ist vorprogrammiert“.

Viele Priester verweigern sich der intensiven Gemeindebeziehung, wechseln stattdessen in die formale Rollenausfüllung und suchen die sie inspirierenden Orte im Jenseits der Gemeinde. „Hier muss Arbeitgeberfürsorge sehr aufmerksam sein.“ Kritisch äußerte sich Prof. Sellmann zur Berufungspastoral, von der bisher kirchen- und gesellschaftsöffentlich wenig zu erkennen sei, dass man an neuen und überraschenden Priesterbildern arbeite. Von römischer Theologie her werde der Priester abgegrenzt und sakral idealisiert. Die Missbrauchsskandale hätten das allgemeine Bewusstsein für Klerikalismus geschärft. „Es bedarf einer entschlossenen, konsistenten und sowohl geistlich wie theologisch gut begründeten Willensbildung zum Umsteuern“, betonte Prof. Sellmann.“ Zitat ende.

Ohne Angst und auf Augenhöhe

Begeisterung ist eine unermessliche Kraftquelle. Sie verbindet Herz und Verstand, reißt mit, steckt an. In der Kirche bedeutet Begeisterung nicht oberflächliche Euphorie, sondern das spürbare Feuer des Heiligen Geistes. Eine begeisterte Gemeinschaft wirkt lebendig, zieht Menschen an und gibt Hoffnung. Sie vermittelt, dass der Glaube keine Last, sondern ein Geschenk ist – ein Weg zur inneren Freiheit, zur Freude und zu wahrer Gemeinschaft.

Unsere Begeisterung darf nicht nur vom Pfarrer abhängen, auch wenn es seine ureigene Aufgabe sein sollte, ein Feuer in den Menschen zu entzünden bzw. zu schüren. Jeder vom Geist erfüllte kann andere begeistern. Die Apostel und Jünger der Urkirche verstanden dies und bewirkten, dass sich die Frohe Botschaft wie ein Lauffeuer verbreitete. Woran liegt es, dass dies heute nicht mehr so leicht gelingt? Die Sehnsucht nach einem „Heilsbringer“ ist schließlich bei vielen Menschen vorhanden und damit die Empfänglichkeit spiritueller Botschaften.

Die ursprüngliche Vielfalt der Liturgie in der Urkirche wurde kontinuierlich reglementiert und vereinheitlicht, wodurch ihre ursprüngliche Ausdruckskraft zurückging. Hinzu kam eine zunehmende Institutionalisierung der ursprünglichen Lehre Jesu durch Lehrsätze, Gesetze und immer neue Vorschriften. Die Begeisterung wich der Angst vor Fegefeuer, Hölle, ewiger Verdammnis und ganz irdischer Bestrafung. Gleichzeitig wurde der Machtmissbrauch immer deutlicher. Das Vertrauen in die Kirchenführung wurde erschüttert.

In der Entrümpelung überkommener Dogmen und der Rückbesinnung auf den Geist Jesu sehe ich die einzige Chance für die Kirche, Menschen wieder zu begeistern. Wenn sich Geistliche aufrichtig vom Klerikalismus distanzieren, können sie als Suchende auf Augenhöhe mit den Gläubigen kommunizieren. Dann sind sie glaubwürdig und erreichen die Menschen. Begeisterung darf kein Monopol einzelner charismatischer Persönlichkeiten sein. Sie muss aus der Mitte der Gemeinde kommen. Priester sind dabei nicht nur Seelsorger, sondern Impulsgeber und Vorbilder.

Das Feuer weitergeben

Eine Organisation kann kaum begeistern, auch die Kirche nicht. Es sind immer Menschen, die eine Botschaft transportieren und dabei andere mitreißen, inspirieren und beflügeln. Wenn ein gemeinsamer Geist in der Gemeinschaft spürbar wird, kann der Funke überspringen. Konkret heißt das:

• Persönliche Beziehungen aufbauen, das Gespräch über Glaubensfragen suchen, Willkommenskultur in der Gemeinde pflegen.
• kreative Gottesdienste gestalten. Auch alternative Formate anbieten und dabei gerne experimentieren. Lebensnahe Predigten, die neugierig machen.
• Interessante Themen in Gesprächsrunden und Podiumsdiskussionen anbieten. Die Menschen zu kritischem Denken anregen und ermuntern, sich selbst, ihrer Seele mehr zu vertrauen als Schriften und Lehrern.
• digitale Präsenz in sozialen Medien und mit einer guten Webseite, die fesselt und zur Reflexion animiert.
• Offenheit in der Kommunikation über Aktivitäten und Vorhaben in der Kirchengemeinde, auf Bistumsebene, inklusive Kritik und Beiträge aus der Gemeinschaft, verbreitet über die Presse, die Webseite und Newsletter.
• Allgemein stärkere Einbeziehung der Gläubigen in den Gottesdiensten. Motivieren der Gemeinschaft, sich mit ihren Wünschen und Ideen einzubringen, selbst auch Verantwortung zu übernehmen. Das heißt aber auch:
• Den ehrenamtlichen, aktiven Mitstreiter/-innen weitgehende Freiheiten lassen. Nur wer mit seinem Engagement etwas bewegen kann, ist motiviert. Besonders motivierend für Ehrenamtliche sind Fortbildungen oder Besinnungstage zum Auftanken. Das sind auch Zeichen von Wertschätzung.
• Über kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Theater und außergewöhnliche Filme auf die Gemeinde aufmerksam machen und dabei die Besucher den gemeinsamen Geist spüren lassen. Dazu bedarf es nicht vieler Worte.
• Interreligiöser Dialog, insbesondere gemeinsame ökumenische Veranstaltungen erweitern Angebot und Horizont.

All das mag von konservativer Seite als Anbiederung verstanden werden. „Die frohe Botschaft braucht keine Werbung“, könnten sie einwenden. Aber die Kirche hat eine Bringschuld, verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen und dazu muss sie die „Entfremdeten“ nach Kräften wieder einsammeln. Auch und gerade unkonventionelle Angebote sind dazu geeignet.

Es sind Möglichkeiten, Menschen, vielleicht sogar Menschenmassen zu erreichen und die Begeisterung für den Glauben zu wecken, immer vorausgesetzt, selbst vom Geist Gottes beseelt zu sein. Dabei können wir nicht auf die Hinderungsgründe durch die Amtskirche zeigen. Das können wir unabhängig von den Vorgaben der kirchlichen Hierarchie. Tragen wir diesen Geist hinaus und leben ihn im Alltag, dann können wir mehr verändern als durch Ermahnungen und Frömmigkeit.

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